Prof. Dr. Gunter Dueck: „Artgerechte Haltung am Arbeitsplatz“ (Gastbeitrag #12)

Prof. Dr. Gunter Dueck

😊 …Moin Moin… 😊

…es ist wieder fast Mitte des Monats und somit Zeit für den nächsten Gastbeitrag. Diesmal konnte ich Prof. Dr. Gunter Dueck, ehemaliger CTO bei IBM, Mathematiker, Autor und YouTuber, gewinnen. Seine Gedanken zur Frage „wie wollen wir leben, lernen und arbeiten?“ kreisen um den Arbeitsplatz der Zukunft. Werden Coworking-Spaces ein Allheilmittel für die neue Arbeitswelt sein, passend für jeden Typ von Mensch?

Viel Spaß beim lesen und euch einen schönen Sonntag 😍


„Früher war die Größe des Einzelbüros eine Frage des Prestiges wie der ersehnte Dienstwagen. Dann ging man zu – ich als Introvertierter empfinde das so – Massentierhaltungsflächen über, bei denen man nicht einmal einen festen Schreibtisch beanspruchen konnte. Ich bot damals meinem Arbeitgeber an, gegen entsprechenden Gehaltsverzicht mein Einzelbüro zu behalten, aber „so spezielle Verträge schließen wir nicht mit Mitarbeitern ab [Anm.: nur mit jedem x-beliebigen Kunden]“.

Ich denke und schreibe sehr viel. Jetzt gerade im Homeoffice arbeite ich in totaler Ruhe – aber nachher kommt jemand zum Putzen, schrecklich! Ich erledige dann meinen Lebensmitteleinkauf und mähe den Rasen. 


Ich will sagen, und man mag mich „Nerd“ nennen: alle diese Coworking-Konzepte, die mich kreativ, eigenverantwortlich, kontaktfreudig und extrovertiert machen sollen, sind für mich persönlich keine artgerechte Haltung. Für andere schon, aber nicht für mich. Wobei wir beim Thema wären: Es gibt verschiedene Menschen und Arbeitsarten und darüber hinaus verschiedene Ansichten der kostenscheuenden Unternehmensführung, wie Arbeitsplätze optimal zu gestalten wären. Manche Arbeiten verlangen Kommunikation, andere nicht. Menschen sind introvertiert, eher die meisten nicht. Warum fragt man nicht, was die Mitarbeiter selbst möchten? 

Nein, man holt Berater. Die propagieren – das weiß der Finanzchef natürlich vorher – eine neue Kultur der Arbeit, in der die Leute – wieder aus meiner eigenen persönlichen Sicht – zu eng beieinander hocken und

durch munteres Durcheinandereden und Telefonieren einen unerquicklichen Geräuschpegel erzeugen, der bei konzentriertem Arbeiten zu Earbuds zwingt. Die Berater versprechen neue kreative Arbeitskulturen, die die Menschen als Menschen und ihre Zusammenarbeit besser machen. Das klingt heillos idealistisch, findet aber großen Anklang bei den Finanzcontrollern der Unternehmen, die zufrieden sehen, dass die Abkehr von Arbeitszimmern eine Menge Geld einspart. Es wird von Einsparungen von einem Prozent vom Umsatz gesprochen, daher stimmen die Finanzleute gerne in die Idealismen der New Work Propheten mit ein. 

Ich habe damals eingewandt: Wenn Mitarbeiter sich selbst einen Arbeitsplatz wünschen dürfen, und wenn das eben – sagen wir – zwei Prozent vom Umsatz kosten würde, wären sie dann nicht ungleich produktiver? 


„Dueck studierte in Göttingen von 1971 bis 1975 Mathematik und Betriebswirtschaft; er wurde 1977 an der Universität Bielefeld in Mathematik promoviert. Er forschte zehn Jahre mit seinem wissenschaftlichen Betreuer Rudolf Ahlswede zusammen. Gemeinsam gewannen sie 1990 den Prize Paper Award der IEEE Information Theory Society für eine neue Theorie der Nachrichtenidentifikation. Nach der Habilitation 1981 war Gunter Dueck fünf Jahre Professor für Mathematik an der Universität Bielefeld.

1987 wechselte er an das Wissenschaftliche Zentrum der IBM in Heidelberg. Dort gründete er eine Arbeitsgruppe zur Lösung industrieller Optimierungsprobleme und war maßgeblich am Aufbau des Data-Warehouse-Service-Geschäftes der IBM Deutschland beteiligt, zuletzt als Chief Technology Officer. Gunter Dueck war IBM Distinguished Engineer, Mitglied der IBM Academy of Technology und IBM Master Inventor. Er arbeitete an der technologischen Ausrichtung der IBM, an Strategiefragen und Cultural Change mit. Im August 2011 ist er bei IBM in den Ruhestand gegangen.“

(Quelle: Wikipedia)

Und noch ein Argument, was gerade durch die Nachrichten zieht: „Im Irak, Libyen, Afghanistan und anderswo ist der Westen trotz jahrzehntelanger Unterstützung kläglich gescheitert, das Kulturmodell der Demokratie zu exportieren.“ Ich fürchte, Sie werden die folgende Analogie zur Arbeit nicht mitdenken wollen. Ich will trotzdem sagen, dass „Umdenkprozesse“, „Empowermentversuche“, Kreativitätsforderungen etc. fast immer an den Mitarbeitern gescheitert sind.

Mitarbeiter werden durch stylische Sitzsäcke nicht gleich kreativer und eigenverantwortlicher! Die Kosten aber werden immer eingespart – die Flächen werden abgemietet. Dieser Prozess, wenn er scheitert, ist schwer rückgängig zu machen…

„Jetzt macht doch einfach mal, bitte!“
Prof. Dr. Gunter Dueck (www.omnisophie.com)

Bei Start-ups liegen die neuen Arbeitsformen natürlich richtig. Da sind die Entrpreneure von vorneherein kreativ und eigenverantwortlich, da will das Team in der Startphase unbedingt zusammensitzen, aber natürlich auch (!), weil sich junge Firmen keine Einzelbüros leisten können. Es gibt Handwerkerarbeitsplätze, die lieber in einer schicken gemeinsamen Halle stattfinden sollen, aber ja! Hier wird so gearbeitet, wie man es sich wünscht. Hier wird der Mitarbeiter artgerecht gehalten. Wenn man diese Modelle aber exportieren möchte, soll man aufpassen, ob sie dort nicht mit dem Prinzip der artgerechten Haltung kollidieren.

Peter Drucker sagte: „Culture eats strategy for breakfast.“

Ich schließe mich an: „Culture eats working styles for breakfast.“

Lassen Sie uns einfach in jedem Einzelfall fragen, was artgerecht wäre.“

Website von Gunter Dueck: www.omnisophie.com


Lieber Herr Dueck, ich möchte Ihnen nochmals ganz herzlich danken. Andere Menschen gehen zu Konzerten und haben ihre Lieblingsband oder gehen in Stadien und haben ihren Lieblingsverein, ich verfolge gerne Menschen, die die Welt verändern wollen. Seit ca. fünf Jahren schaue ich mir nun schon ihre youtube-Videos an und lese ihre Bücher.

Überschriften wie Schwarmdumm, Management frisst Mitarbeiter oder Wild Duck haben mich seiner Zeit auf Sie aufmerksam gemacht und so haben Sie einiges an meiner heutigen Arbeit und meinem Denken mitgeformt. Vielen Dank dafür !!!


Wir haben auch dich inspiriert? Du möchtest auch mal einen Gastbeitrag bei mir schreiben oder mehr über meine Projekte erfahren? Dann schreibt mir eine Nachricht oder lest euch die anderen Beiträge durch.

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