Transformation tut weh (Gastbeitrag #28)

Als Impulsgeber, Forscher, Kritiker, Berater macht sich Sascha Eschmann Gedanken über eine grundlegend neu gedachte und bessere Zukunft. Und teilt heute mit uns seine Gedanken zur Frage „Wie wollen wir in Zukunft leben, und arbeiten?“ bzw. zum Thema Transformation, die ja ein immer währender Teil unseres Lebens ist. Aber mehr möchte ich gar nicht verraten, lest selbst:

Sascha Eschmann

Wandel gab es schon immer und wird es immer geben, alles ist im Fluss, der Status Quo nur der Schnappschuss einer flüchtigen Situation. Wo es Wandel gibt, muss es Anpassungen geben. Entgegen der oft vorherrschenden, aber grundfalschen Interpretation von Darwins Evolutionstheorie „Survival of the fittest“, überleben eben nicht die Besten, sondern die, die sich am besten anpassen können. Glaubt man der Hirnforschung ist es aber nun so, das Veränderungen und damit auch Anpassung für uns als Menschen sehr anstrengend ist. Unser Gehirn möchte Energie sparen und „alles beim Alten“ lassen: gewohnter Kontext, gewohnte Abläufe, gewohnte Tätigkeiten.

Was bedeutet das aber für die Welt, in der wir gerade leben. Der immer stattfindende Wandel hat durch viele Faktoren deutlich an Tempo zugenommen, allen vorweg sicherlich durch die digitale Transformation und den Klimawandel. Was gestern galt, ist heute falsch und für morgen haben wir noch keine Antwort. Wir sind hin- und hergerissen: Darf ich noch Fleisch essen, noch in Urlaub fliegen? Welchen Kaffee aus welcher Produktion trinke ich, ist Milch jetzt wirklich ungesund? Darf ich noch für meinen Arbeitgeber arbeiten, wenn der seine T-Shirts von Kindern produzieren lässt? Muss ich politisch aktiv werden? Auf welche Schule schicke ich meine Kinder, damit sie Zukunft wirklich gestalten können? Und muss ich mein Twitter-Konto jetzt löschen, weil Elon Musk am Ruder sitzt?

Diese Fragen stehen nur beispielhaft für die Zerrissenheit, die wir spüren. Ja, Wandel gab es immer, aber aktuell stehen wir vor disruptiven Veränderungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Und diese Übergangsphase in der Transformation ist oft so unangenehm, dass es fast körperlich weh tut. Wir wissen nicht mehr, was richtig ist, wir verstehen vieles auch nicht und wir wissen nicht, wie wir uns in Zukunft verhalten sollen. In dieser Phase der Transformation wird meist der Wunsch nach Beständigkeit deutlich sichtbar. Es war doch mal alles gut (zumindest gefühlt), warum stellen wir es nun in Frage. Hier kommen Effekte der Systemtheorie zum Greifen. Systeme sind mächtige Konstrukte, durch Beziehungen und Kommunikation zusammengehalten. Ein System möchte sich selbst erhalten, mit aller Macht. Ein gutes Beispiel sind hier große Konzerne mit klassischer Vertriebsstruktur. Sie scheitern an der digitalen Transformation, weil ihre mächtigen Vertriebsstrukturen die Digitalisierung boykottieren, weil sie sich damit selbst abschaffen würden. Gleiches gilt für den politischen Umbruch oder die Mobilitätswende. Wo wir auch hinschauen, haben sich verästelt in alle Bereiche der Gesellschaft sehr stabile Systeme gebildet, deren Zukunftsfähigkeit in Frage gestellt ist. Als Reflex gehen diese Systeme nun in den Überlebensmodus und greifen ihre Gegner an: Etablierte Politiker, die Klimaaktivisten mit Terroristen vergleichen sind ein leuchtendes Beispiel dafür.


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Das Gute daran ist, dass es kein Zurück mehr gibt. Wir sind mitten in einem sehr umfassenden, alle Bereiche betreffenden Wandel, der sich aktuell in Unsicherheit und Zerrissenheit äußert, der aber in eine neue Zukunft führt. Was uns fehlt ist die Lust auf diese Zukunft. In der Zukunftsforschung spricht man von „Future Imagineries“, also Bilder möglicher Zukünfte, die wir alle als erstrebenswert ansehen und auf die wir uns freuen, anstatt dem Alten hinterher zu trauern.

Ach, und die Raupe will auch nicht freiwillig zum Schmetterling werden. Aber was wäre, wenn die Raupe wüsste, wie schön der Schmetterling ist.

Sascha Eschmann, 09.01.22


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